Noch schnell ein Autogramm, bevor es losgeht: Der Bitte kam der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil gerne nach    Foto: tw

LANDKREIS tw ∙ Er ist ein Digitalfan. Doch nach zwei Jahren Zoom und Co. hat der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil „die Nase voll davon“. Darum freute er sich umso mehr, dass er am vergangenen Samstag bei gleich zwei Veranstaltung in Cuxhaven wieder in direkten Kontakt mit den Menschen kommen konnte. „Ich habe Lust darauf, dass wir zusammenkommen und uns austauschen“, auch um im direkten Dialog zu erklären „was und warum wir etwas machen“.

Eingeladen hatte ihn der Cuxhavener SPD-Ortsvereinsvorsitzende Oliver Ebken, Landtagskandidat für den Wahlkreis 58, Cuxhaven-Land Hadeln. Anlass waren die Ehrungen für zehn bis 65 Jahre Parteimitgliedschaft.

Mit den Menschen ins Gespräch kommen

Klingbeil war es aber auch ein Anliegen vorher mit den Menschen selbst ins Gespräch zu kommen. Und so stand er am frühen Nachmittag in „Björns ­Beach“ in Duhnen den Menschen Rede und Antwort zu aktuellen Themen der Bundespolitik, bevor es im Anschluss zur Jubilarehrung ins benachbarte „Hotel Seelust“ ging.

„Die letzten zwei Jahre haben uns als Gesellschaft nicht unbedingt gut getan, weil wir uns nicht treffen, nicht miteinander reden konnten und weil vieles passiert ist, was uns auch ein bisschen durcheinander gebracht hat.“ Zuerst die Pandemie, dann der Krieg Russlands gegen die Ukraine, jetzt die hohen Energiepreise, all das bewege die Bürger.
„Wie schaffen wir es die Gesellschaft zusammenzuhalten“, ist dabei eine Frage, die nicht nur die Cuxhavener beschäftigt, sondern ein Thema das zurzeit auch in Berlin vorherrschend sei, so Klingbeil. Anders als etwa in den USA, wo er während eines Urlaubs in den Südstaaten ein tief gespaltenes und zerstrittenes Land erlebt habe, Republikaner und Demokraten nicht mehr miteinander redeten, „haben wir in Deutschland eine sehr komfortable Situation, in dem wir als Demokraten – egal welcher demokratische Partei – miteinander reden und meist auch eine Lösung finden“. Aber die nächsten Monate würden entscheiden, ob es so bleibt. Das heiße auch Klartext zu reden. „Die nächs­ten Monate werden hart, sie werden für viele Menschen eine Herausforderung, für manche Menschen wird es existenziell. Aber ich bin mir sicher, wir kommen nach anderthalb Jahren gut durch, wenn wir die Unabhängigkeit von Russland geschafft haben.“ Und Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil tue mit dem massiven voranbringen der LNG-Terminals mehr dafür, „als der bayerische Kollege, der immer nur gute Ratschläge gibt, die alle nicht umsetzbar sind, oder andere Bundesländer betreffen“, konnte sich Klingbeil einen Seitenhieb auf Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nicht verkneifen.

Aktuell gelte es nach den beiden großen Entlas­tungspaketen, weiteres Geld in die Hand zu nehmen, um Mieter zu schützen und gezielt die kleinen und mittleren Einkommen zu entlas­ten. Man könne am Ende nicht alles kompensieren, aber den Bürgern zeigen, „wir stehen an deiner Seite“. Gleichzeitig gelte es aber auch deutlich zu machen, „wir bekommen das gemeinsam hin. Und deshalb müssen wir gemeinsam aufpassen, dass wir uns als Demokraten, als politische Parteien nicht zerlegen und darauf achten, dass die Rechtspopulisten, die Hetzer und Spalter, die sich jetzt schon aufmachen, nicht zu stark werden in diesem Land“.

Neben Fragen zum 9-Euro-Ticket – ein Erfolg, wie er findet, es müsse jetzt aber auch darum gehen, nicht nur über günstige Tickets sondern auch über den Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum zu reden – kam von Seiten des Publikums auch die Anmerkung, dass die SPD am Schlamassel, wie etwa dem Stillstand beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, mit beteiligt war. Dass die Politik Fehler gemacht habe, würde er nie abstreiten, so Klingbeil. Viele Entscheidungen seien aber auch dem Zeitgeist geschuldet. „Hätte ich hier vor vier Jahren gestanden und gesagt wir entscheiden jetzt mal als Gruppe ‚Wollen wir das billige Gas aus Russland oder das teure LNG-Gas nehmen und damit sind alle Bürger stärker belastet?‘ wäre die Antwort anders ausgefallen als heute“. Aber, und das sei das Schöne an der Demokratie, „wir sind auch in der Lage uns zu korrigieren, Fehler einzugestehen und dafür sind solche Austausche wie heute mit Ihnen wichtig“.