Schulleiter Carsten Hoppe hat seine beruflichen Wurzeln im Handwerk, das ihm viel bedeutet   Foto: jt

Ganz unbekannt sind ihm die Räumlichkeiten in den BBS Cuxhaven nicht. Denn von 1998 bis 2000 hat der heute 53-Jährige hier sein Referendariat absolviert. Mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung kam er am 1. November 2021 zurück an seine erste Wirkungsstätte in jungen Jahren. Wir stellen den Schulleiter im Interview vor.

Von Göttingen, wo er geboren ist, über Hannover nach Bremen verlief zunächst sein Lebensweg. Sein Berufswunsch als Kind war, wahrscheinlich wie bei vielen Jungen, erstens Baggerfahrer, zweitens Kapitän, drittens Pilot, viertens Ingenieur. Über die das Ingenieursstudium vorbereitende Ausbildung zum Kfz-Mechaniker ist er schließlich Lehrer an berufsbildenden Schulen geworden und hat diesen Schritt nie bereut. Den Beruf des Lehrers hat er ergriffen, als er während der Ausbildungszeit Nachhilfeunterricht für andere Auszubildende erteilte und feststellte, dass ihm diese Tätigkeit sehr viel Spaß bereitete. Gereizt hat ihn auch die Herausforderung, durch die stetige technische Entwicklung als Berufsschullehrer fachlich immer am Ball bleiben zu müssen, was herausfordernd, aber auch sehr interessant ist. Als Berufsschullehrer versucht Carsten Hoppe immer, einen starken Praxisbezug herzustellen. Das Gespräch im Wortlaut:

?Herr Hoppe, was erwarten Sie von Ihren Lehrkräften?
! Unser Leitbild beinhaltet die Leitbegriffe kompetent, innovativ und menschlich.
Dazu zählt, sich mit technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinanderzusetzen und diese in den Unterricht zu integrieren. Dabei die Lernenden in ihrer Individualität wahrzunehmen, deren Eigenverantwortung, Teamfähigkeit und Selbstständigkeit zu stärken, sind für uns zentrale Aspekte. Als Europaschule vertritt unsere Schulgemeinschaft Werte wie Respekt, Toleranz, Offenheit. Das erwarte ich auch von meinen Lehrkräften.

? Warum sind Sie an die BBS Cuxhaven gegangen?
! Ich kannte die BBS-Cuxhaven aus meinem Referendariat von 1998 bis 2000. Die Zeit hat mir sehr gut gefallen. Der Kontakt zu der Schule ist über die vergangenen Jahre nie abgebrochen. Ich habe die Schulleiterstelle übernommen, da die Schule eine große Vielfalt an Schulformen, Berufsfeldern und damit auch an Lehrkräften bietet. Spannend fand und finde ich, dass wir ein Zukunfts- und Innovationszentrum im Bereich der regenerativen Energietechnik und E-Mobilität haben und dass die Schule ein Selbstlerncenter besitzt, in dem die Lernenden selbstständig und eigenverantwortlich lernen können. Auch, dass die BBS Cuxhaven eine Europaschule ist, war ein Entscheidungsgrund. Steht dieser Schwerpunkt doch für Offenheit für andere, Respekt vor anderen und Toleranz im Umgang miteinander. Für die Bewerbung sprach außerdem die Entwicklung in der Region im Bereich der Wasserstofftechnik sowie den regenerativen Energien und ich hoffe auf einen Entwicklungsschub.

? Wo waren Sie vorher tätig?
! Zuvor war ich als stellvertretender Schulleiter an den BBS Zeven und davor als Abteilungsleiter an den BBS Osterholz-Scharmbeck tätig.

? Was macht das Besondere der BBS Cuxhaven aus?
!Die Vielfalt an der Schule, die Lage am Wasser, die ländlich geprägte Region, ein großes Einzugsgebiet und leider auch ein altes, renovierungsbedürftiges Gebäude mit teilweise veralteter Ausstattung. Trotz der architektonischen Rahmenbedingungen ist es uns gelungen, offene Lernbereiche zu schaffen. Allen voran, unser Selbstlernzentrum, die Schülerbibliothek und zahlreiche Gruppenarbeitsplätze, die ein eigenverantwortliches, selbstorganisiertes Lernen möglich machen. Besonders ist sicher auch unser betreuter Trainingsraum, in dem Lernende durch eine angeleitete Selbstreflexion ihres Verhaltens wieder dazu gebracht werden, am regulären Unterricht teilzunehmen. Ferner hat unsere Schule ein aufgeschlossenes, engagiertes Kollegium, einen unterstützungswilligen Schulträger mit einem geringen finanziellen Spielraum und vielfältige Kooperationen mit Einrichtungen in der Region.

? Würden Sie an den BBS Cuxhaven als junger Mensch gerne zur Schule gehen?
! Wenn ich das Gebäude von außen betrachte, wahrscheinlich nicht. Aber bekanntlich kommt es auf die inneren Werte an. Architektonisch eröffnen sich einem nach dem Betreten großzügige Flure mit zum Teil zusammenhängenden Unterrichtsbereichen, was ich sehr schätze. Die offenen Lernbereiche, Sitzmöglichkeiten und die Cafeteria werden von unseren Lernenden sehr geschätzt. Meine Lehrkräfte nehmen ihre Lernenden ernst, setzen sich für sie ein und bieten einen ansprechenden Unterricht. Wir bieten Lernenden eine breite pädagogische Unterstützung und Beratung. In Kürze: Ich würde gerne bei uns zur Schule gehen.

? Wie ist die Schule aufgestellt, welche Sparten werden angeboten? Was ist speziell und gibt es nur hier?
! Die Schule ist mit einem breiten Bildungsangebot aufgestellt. Unser Angebot bildet rund 30 Berufe aus den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit, Technik, Gastronomie, soziale Berufe, Ernährung und der Verwaltung ab. Unser Ziel ist es, diese Breite zu erhalten, was mit Herausforderungen verbunden ist, da in einigen Bereichen nur sehr geringe Schülerzahlen existieren. Außerdem haben wir verschiedenste Vollzeitschulformen: die Berufseinstiegsschule, Berufsfachschulen, Fachschulen, das Berufliche Gymnasium sowie die Fachoberschulen. Man kann an unserer Schule alle Schulabschlüsse vom Hauptschulabschluss bis zur Allgemeinen Hochschulreife erlangen. In Einzelfällen gibt es Lernende, die ohne Schulabschluss an unsere Schule kommen und sie mit der Allgemeine Hochschulreife verlassen.
Bezogen auf den Landkreis Cuxhaven haben wir Alleinstellungsmerkmale in der Aus- und Weiterbildung in folgenden Bereichen: Fachinformatiker für Sys­temintegration, Berufe der Gastronomie, Bäcker, Bäckereifachverkäufer, Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte, industrielle Metallberufe, nahezu alle Wirtschaftsberufe (außer Einzelhandel), Verwaltungsfachangestellte, Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Elektroniker für Betriebstechnik, Fachschule für Heilpädagogik.

? Was kann man hier alles lernen?
! Unsere Lernenden lernen zu lernen, lebenslanges Lernen, berufliche Handlungskompetenz, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, Teamfähigkeit. Die Berufsfelder habe ich aufgezählt. Umfassend informieren kann man sich über unsere Homepage www.bbs-cux.de. Dort finden sich alle Bildungsangebote sowie die entsprechenden Ansprechpartnern.

? Schnittstelle digitaler Unterricht. Wieviel Unterricht ist digital, wieviel läuft analog ab?
! Jeder Raum verfügt über WLAN und Präsentationsmedien. Fortbildungen zu Themen der Digitalisierung werden regelmäßig angeboten und können auch über Fortbildungsplattformen von den Lehrkräften gebucht werden. Da, wo es für den Unterricht sinnvoll ist, wird mit digitalen Medien unterrichtet. Bei einer so vielfältigen Schule lässt es sich nicht sagen, wie viel Prozent digital bzw. analog sind, das hängt von dem Beruf und der Schulform ab.

? Wie ist das Umgehen, das Miteinander der Lehrer mit den Schülern?
! Die Lernenden melden uns zurück, dass sie sich ernstgenommen fühlen und dass es eine gute Lernatmosphäre gibt.

? Welche Regeln für das Miteinander haben bei den BBS Cuxhaven Geltung?
! Die Orientierung erfolgt am Leitbild und unserem Schulprogramm. Gemeint sind damit Werte wie: Respekt, Toleranz, Verlässlichkeit, Offenheit, Achtsamkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit. Die Lernenden wie Lehrende haben ein Recht auf ungestörten Unterricht. Aus diesem Grund werden den Unterricht störende Lernende in den Trainingsraum entsandt.

? Wird bei Ihnen nach einer Unterrichtseinheit abgefragt, was gefallen hat und was nicht?
! Eine Befragung der Klasse zur eigenen Unterrichtseinheit liegt im Ermessen der Lehrkraft. Jährlich wird eine Schülerumfrage durchgeführt, an der alle Schüler teilnehmen.

? Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Form von Dialog gemacht?
! Positiv. Die Teams identifizieren in Gesprächen mit den Klassen Stärken und Verbesserungsbereiche. Die Ergebnisse fließen in die Unterrichtsentwicklung ein.

? Welche Bedeutung hat für Sie persönlich das Handwerk?
! Da meine beruflichen Wurzeln im Handwerk liegen, bedeuten mir die handwerklichen Berufe sehr viel. Der Erhalt der handwerklichen Berufsschule an unserer BBS steht ganz oben auf meiner Agenda. In Zusammenarbeit mit den Innungen, der Kreishandwerkerschaft, dem Schulträger, der Schulbehörde sowie anderen BBSen müssen wir intelligente Lösungen finden, wie wir den Erhalt der regionalen Beschulung im Bereich der handwerklichen Ausbildung gemeinsam sicherstellen. Ich befürchte, dass eine weniger regionale Beschulung dazu führt, dass es für unsere Ausbildungsbetriebe eine noch größere Herausforderung darstellt, Auszubildende zu finden.

Das Interview führte Joachim Tonn.