Engagiert in der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre: Stefan Buck, Lothar Klüser, Susanne Schult, Karl-Heinz Brinkmann und Stephan Haak (v.l.) Foto: jt
OSTEN jt ∙ Das Zahnrad erfühlen, der Führung der Laufräder nachspüren, den Hauptschalter für Stromzufuhr umlegen – Original-Tastobjekte machen die Ostefähre auch für Sehbehinderte anfassbar. Nach fast dreijähriger Pause wurde die Fährstuv in Osten wiedereröffnet – und zugleich für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung barrierefrei zugänglich gemacht.
Interessierte Bürger hatten Ende März die Möglichkeit, bei einem Tag der offenen Tür, einen Blick in die neue Ausstellung zu werfen. „Hier ist ein einmaliges Kleinod entstanden“, sagte Lothar Klüser, stellvertretender Vorsitzender der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre und Vorsitzender des Tourismus- und Kulturausschusses in der Samtgemeinde Hemmoor.
Er wohnt ganz in Sichtweite der Fähre und hält in der Saison, zusammen mit sechs ehrenamtlichen Fährleuten, das Kulturobjekt in Bewegung. Eine der Fährleute ist die ehrenamtliche Fährfrau Susanne Schult. „‚Die Fährstuv‘ bietet ein Stück lebendige Geschichte. Das Tolle ist, dass man die Fähre direkt vor der Fährstuv, auch noch live erfahren kann“, findet sie.
Das völlig neu gestaltete Museum – vor drei Jahren verwüstete ein Einbrecher das Museum – erzählt die Geschichte der Schwebefähre auf eine neue Art und Weise. „Es hat so lange gedauert, weil ein fantastisches Konzept erstellt wurde und dessen Finanzierung auf soliden Füßen stehen muss. Das geht nicht so einfach von heute auf morgen“, so der 1. Vorsitzende der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre, Karl-Heinz Brinkmann. „Das andere ist die Einwerbung von Fördermitteln.“
Das Konzept konnte mithilfe privater Spenden, Mitteln des Landschaftsverbandes Stade, der Kulturstiftung der Weser-Elbe-Sparkasse sowie der Aktion Mensch und der Hilfe vieler ehrenamtlicher Helfer in die Tat umgesetzt werden. Einen Tag vor Eröffnung wurde ihnen in einer Feierstunde das Ergebnis präsentiert.
Die Fährstuv im ehemaligen Kaufhaus Hammann ist nun barrierefrei und mit einem taktilen Bodenleitsystem ausgestattet. Sie bietet dadurch auch Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung die Möglichkeit, in die Geschichte der Schwebefähre einzutauchen. Ein spezieller Audioguide hilft, Texttafeln, Bildbeschreibungen und weitere Informationen klanglich zu vermitteln.
Darüber hinaus machen verschiedene Tastobjekte die Schwebefähre hautnah erlebbar. Rohrzange, Vierkant-Schraubenschlüssel und Schiffshämmer erwecken auf taktile Weise die Fährentechnik zum Leben. „Es ist hier ausdrücklich erwünscht, die Exponate zu berühren und zu ertasten“, sagt der 1. Vorsitzende und betont: „Wir haben hier zwei Alleinstellungsmerkmale: Die Fähre und das dazugehörige Museum. Man kann als Verein stolz darauf sein, zwei Museen zu betreiben.“
Der gebürtige Baljer kennt die Fähre von Kindheit an. Ab 1985 war er als Postbeamter in Osten im Einsatz. „Ich kenne hier Land und Leute und jede Küche im Dorf“, lacht er. Noch hält die Schwebefähre Winterschlaf. „Die einzige Fähre, die sich heute bewegt, ist unsere Fähre im Schaufenster. Sie wurde von dem Hemmoorer Modellbauer Gunther Altmann aufwändig restauriert“, erzählt er.
Nach ihrer Inbetriebnahme 1909 bezeichnete man die Schwebefähre als Eiffelturm des Nordens oder als achtes Weltwunder. Die Stahlfachwerk-Bauweise ermöglicht ein Höchstmaß an Stabilität bei einem Minimum an Materialaufwand. Es handelte sich damals um ein völlig neues Transportsystem für den Fahrzeugverkehr.
Aus dem Museums-Archiv entstammen Text-Juwelen, welche die Einzigartigkeit der Fähre wiederspiegeln: „Von so etwas träume ich seit meiner Kindheit: eine venezianische Gondel, die durch die Lüfte segelt“, schwärmte der russische Schriftsteller Rady Fish.
Auch seltene Fotos gibt es zu bestaunen: Stolz präsentieren sich die Bauarbeiter 1909 vor dem Bauwerk. Unglaublich: 1956 tummelten sich erstmals Tausende von Menschen unter der Schwebefähre auf dem zugefrorenen Fluss. „Im Prinzip passiert das alle 25 Jahre“, so sagten die Alt-Ostener, berichtet Lothar Klüser, der seinerzeit das 96-er Eisfest mitorganisiert und mitgefeiert hat.
„Fotos, spezifische Werkzeuge und Hilfsmittel der Fährleute, wie Kassier-Tasche und Fahrscheindrucker – diese Zusammenstellung verschiedener Kleinode gibt es kaum irgendwo“, begeistert sich Brinkmann.
„Für mich ist dieser Verein Botschafter der Oste-Region. Hier haben sich die Ehrenamtlichen ein freundliches Zuhause geschaffen, welches die Türen für sämtliche Besucher aus der ganzen Welt offenhält. Hier pulsiert das Herz der ‚Eisernen Lady’ am Ostedeich“, sagt Sabine Wist, Bürgermeisterin der Stadt Hemmoor. Schöner lässt sich die Magie des kleinen Museums nicht in Worte fassen.