Gedenksteine für die Familie Rosenthal: Bernhard, Minna und Gerda wuren ermordet; nur Betty Erna überlebte das Grauen   Foto: hgi

CUXHAVEN hgi ∙ Es gibt in Cuxhaven 30 Stolpersteine, die an Menschen erinnern, die wegen des Glaubens, verfolgt, verschleppt und im Nationalsozialismus ermordet wurden. Die ers­ten wurden 2012 in Cuxhaven gesetzt. Im Rahmen der regionalen Arbeitsgruppe vom Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ e. V. fand unter der Leitung von Ralf Bohlen mit acht Personen ein Rundgang durch Cuxhaven statt, bei dem 24 der 30 Stolpersteine aufgesucht wurden.

Erste Station war die Poststraße 11, wo seinerzeit die Familien Ehrlich und Blumenthal ihr Zuhause hatten. Leo und Lieschen Ehrlich führten mit ihren Töchtern Herta und Erika bis 1933 ein gutbürgerliches Leben. Leo Ehrlich belieferte Großhändler mit Lebensmitteln, unter anderem die Cuxhavener Fischindustrie. Herta war Schneiderin und heiratete Max Jacobsohn aus Güstrow. 1938 wurde Leo Ehrlich in das KZ Sachsenhausen gebracht. Weitere Haftzeiten in Dachau und Buchenwald folgten, bevor er 1942 in der Euthanasieanstalt Bernburg vergast wurde. Seine Frau Lieschen, die zu ihrer Tochter Herta nach Güstrow gezogen war, wurde mit deren Familie in Auschwitz ermordet. Erika Ehrlich war eine der wenigen Überlebenden. Ihr gelang die Emigration nach England. Nach dem Krieg zog sie in die USA. Hermann Blumenthal wohnte mit seiner Familie auch in der Poststraße 11. Während er, sein Sohn und die Schwiegertochter ebenfalls ermordet wurden, überlebte Tochter Irma durch die Flucht nach England.

Weiter führte der Rundgang die kleine Gruppe zum alten Haupteingang des Rathauses, Arbeitsplatz von Heinrich Grube, Leiter des Jugend- und Wohlfahrtsamtes. Sein Wohnhaus gibt es nicht mehr, deshalb habe man sich entschieden, dem Stolperstein mit seinem Namen im Grünen Weg 42 Platz zu geben, so der Stadtchronist. Als Leiter des Jugend- und Wohlfahrtsamtes setzte sich Heinrich Grube für seine Mitbürger ein. Er war Sozialdemokrat und bekannt mit Wilhelm Heidsiek. Dieser arbeitete als Maschinensetzer beim Cuxhavener Tageblatt. Er gründete die sozialdemokratische Zeitung „Alte Liebe“ und zog damit ins Pressehaus. Auch seine Familie fand 1932 dort eine Wohnung. Heinrich Grube und Wilhelm Heidsiek wurden 1944 inhaftiert und im KZ Neuengamme im November ermordet. Sein Stolperstein befindet sich vor den Cuxhavener Nachrichten.

In der Kirchenpauerstraße/Ecke Schillerstraße erinnern zwei Stolpersteine an das kinderlose Ehepaar Bernhard und Friederike Weinberg aus angesehenen Familien. 1937 musste das Beschäftigungsverhältnis des Ingenieurs bei der Mützelfeld Werft auf Verlangen der Kriegsmarine eingestellt werden. Das Ehepaar wollte auswandern und zog erst einmal nach Hamburg. 1942 mussten sie in ein „Judenhaus“ ziehen, von wo sie nach Theresienstadt deportiert wurden. Bernhard Weinberg wurde 1943 ermordet und seine Frau starb nach der Befreiung und Emigration in die USA an den Folgen der Haft.

Vor dem ehemaligen Kino in der Deichstraße befindet sich der Stolperstein von Oskar Danker. Der Kinobesitzer und Betreiber eines Wäsche- und Strumpfgeschäftes wurde 1933 gezwungen, das Kino zu verpachten. Der jüdische Geschäftsmann und seine nichtjüdische Mitarbeiterin Adele Edelmann wurden im Juli 1933 von einem Rollkommando der Marina-SA mit Schildern um den Hals durch die Stadt getrieben, da ihnen eine Affäre nachgesagt wurde. Die öffentliche Demütigung wurde auf einem Foto in der Marienstraße 50, dem Sitz der damaligen NSDAP-Kreisleitung, festgehalten. Als Oskar Danker das Kino 1938 verkaufen musste und den Betrag in seinen neuen Wohnort in Polen bringen wollte, wurde er wegen Devisenschmuggel angeklagt und kam für ein Jahr ins Gefängnis. Dort verstarb er angeblich an einem „Lungenleiden“.

Am Kaemmererplatz/Beginn Nordersteinstraße lebte der Kaufmann Jakob Alexander Scharfstein, ein angesehener, beliebter Bürger mit einem führenden Modehaus. Mit seiner Frau Gertrud und den Söhnen Manfred und Heinz zogen sie wegen Boykottmaßnahmen der NSDAP nach Hamburg, um auszuwandern. Doch 1938 wurde Scharfstein verhaftet. Die Söhne wurden mithilfe von Verwandten nach Palästina gebracht. Nach dem Bezahlen der Reichsfluchtsteuer und der Judenabgabe wurde das Ehepaar nach Spanien und dort auf ein Frachtschiff mit dem Ziel USA gebracht. Jakob Scharfstein überlebte die Überfahrt nicht. Seine Ehefrau lebte mit ihren Kindern, die von Israel nach Amerika gelangten, in New York und starb dort 1988.

Von der Nordersteinstraße führte der Rundweg in die Holstenstraße 7. Hier wohnte das Ehepaar Benjamin und Anna Wallach, die einen Schrott- und Metallhandel betrieben. Nach dem Boykott-Tag mussten sie ihr Unternehmen aufgeben. In Hamburg gründeten sie ein neues, welches 1936 ihr Sohn Alfred übernahm. Ab 1941 musste das Ehepaar einen Judenstern tragen und in ein „Judenhaus“ ziehen. Ein Jahr später wurden sie in Theresienstadt ermordet.

Karl Alexander fuhr vor und nach dem Ersten Weltkrieg auf Schiffen der Cuxhavener Hochseefischerei und qualifizierte sich bis zum Kapitän. Wegen seiner kritischen Äußerungen zum Nationalsozialismus kam er 1933 in Schutzhaft. 1939 verurteilte man ihn wegen Vergehens gegen das „Heimtückegesetz“ zu einem Jahr Gefängnis. Nach der Entlassung wurde „Kapitän“ Alexander von der Gestapo in das KZ Sachsenhausen verschleppt und ermordet. Sein Stolperstein befindet sich an der Kapitän-Alexander-Straße/Ecke Konrad-Adenauer-Allee.

Mit Blick auf das ehemalige Hotel Atlantik, das der Gestapo als Außendienststelle diente und für die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus stand, führte der Rundweg in die Grosse Hardewiek 1. Dort wohnte die Familie Rosenthal mit drei Töchtern, Minna, Betty Erna und Gerda. Bernhard Rosenthal besaß eine Schlachterei, die 1933 den wirtschaftlichen Niedergang erlitt. Betty schickte er in die Niederlande. Als seine Frau Selma 1936 starb, zog er mit Gerda zu Minna, die mit ihrem Ehemann in Hamburg wohnte. 1942 wurde er in Theresienstadt ermordet. Auch seine Töchter Minna und Gerda wurden mit ihren Familien nach Auschwitz und Minsk deportiert und ermordet. Nur Betty Erna, die 1940 Rudolf Asch heiratete, überlebte von 1942 bis zum Kriegsende das KZ Westerbork und starb 2004 mit 100 Jahren in Hilversum/ Niederlande.

Der Rundgang endete am Gedenkstein mit der Erinnerungstafel an die Vertreibung und Ermordung der Cuxhavener Juden in der Südersteinstraße. Betroffenheit erfüllte alle Beteiligten des Rundganges als sie die Geschichte der Menschen, deren Namen nicht vergessen werden sollen, erfuhren. Mit den Worten: „Das darf nie wieder geschehen“, verabschiedete sich Ralf Bohlen und niemand wird diesen Rundgang vergessen.