2021 neigt sich dem Ende zu. Es war kein schönes Jahr, wirklich nicht. Trotzdem und vielleicht gerade deshalb Zeit für einen Jahresrückblick. In diesem Falle eines sehr persönlichen Jahresrückblickes. Nicht in einer Zeitlinie. Chronologisch ist das eh unmöglich, denn in 2021 ist vieles mit vielem und am Ende mit allem verknüpft.
Zwei Stichworte streiten um die Vorherrschaft. Corona und Freiheit. Wobei die beiden Begriffe gerne Seite an Seite in der Diskussion stehen. Beim Schockmoment für alle Demokraten gleich zu Beginn des Jahres stand die Freiheit etwas mehr im Fokus. Ein abgewählter Präsident hetzt den Pöbel seiner Wähler zum Sturm auf das Capitol.
Unglaublich in jeder Republik, in der amerikanischen bis dato undenkbar. Die Folgen sind nicht absehbar, befürchtet werden darf das Schlimmste. Die Demokratie und damit die Freiheit ist permanent in Gefahr, in den USA hätte man es zuletzt befürchtet. Eher schon in europäischen Gefilden. Ungarn und Polen, genauer die dortigen Machthaber, streiten um den Titel „Autokrat des Westens“. Vor allem im Jahr 2021 zeigt sich die böse Fratze kleingeistiger Staatenlenker. Polen mit seiner Vertragsbrüchigkeit in Sachen Rechtsprechung, Ungarn eigentlich an allen Stellen, in denen es um Europa geht. Das europäische Geld will man, die europäischen Werte nicht. Zur Erinnerung, Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen.
Das wird auch zum Leitspruch in Sachen Corona. Allein schon auf Deutschland geblickt, jagt ein Aufreger den nächsten. Und immer geht es um Ego versus Gemeinschaft. Habe ich die Freiheit, meine Grundrechte über das Wohl der Allgemeinheit zu stellen? Habe ich das Recht auf ein Intensivbett, wenn ich vorher mit vollem Bewusstsein auf das Risiko zu erkranken den Picks verweigert habe? Eine eindeutige Antwort darauf kann es nicht geben. Es ist ja keine Schwarz-Weiß-Situation. Und dann ist da noch die Sache mit der Vorsorge. Warum soll der Einzelne für die Mehrheit Verantwortung tragen, wenn die Verantwortlichen in der Politik es nicht schaffen, ihrer Eigenen in allen Fällen gerecht zu werden? Beschaffung der Vakanzen in ausreichender Menge gepaart mit einem Meldesystem auf dem Stand der 70er des letzten Jahrhunderts seien stellvertretend genannt. Wo bitte, außer in deutschen Ämtern, gibt es noch Datenübertragung per Fax?
Und an dieser Stelle wird aus der deutschen Nachkriegsstärke „nationales Selbstbewusstsein“ eine Gefahr für die Demokratie. Deutschland hat durch Selbstreflexion, Kritikfähigkeit und Erfahrung dieses Selbstbewusstsein aufgebaut, und es war bis dato ein Pfeiler der Demokratie. Dieses Selbstbewusstsein wandelt sich gerade in Egoismus. Das ist nicht gut für die Freiheit. Das ist nicht gut für die Demokratie. Das ist nicht gut für die Menschen. Dieser Egoismus verändert Bürger in Pöbel, lässt Gewalt an Polizisten, Journalisten, Politikern und tatsächlich auch Rettungskräften zu. Oft begleitet von laut krächzenden Mitläufern, „die sowas wie Gewalt echt ganz blöd finden“. Das ist eine Katastrophe.
Eine andere Katastrophe dagegen hat 2021 den „Mensch im Menschen“ gezeigt. Und bewiesen, zu was freiheitliche, mündige Bürger in der Lage sind. Als Mitte Juli eine Flut im Westen und mancherorts im Süden Deutschlands über Nacht verwüstete Täler gebiert, sind sie da. Menschen, die helfen; Menschen die selbst zurückstecken, um anderen zur Seite zu stehen. Das Ahrtal verliert seine weinselige touristische Bedeutung und wandelt sich zur Hölle für deren Bewohner. Einen Tag nach der Sintflut rücken dann die ersten Helfer an. Aus allen Teilen der Republik. Ob Bayer, Niedersachse oder Mecklenburger. Ob Deutscher, Syrer oder Pole. Alle wollen helfen, alle helfen. Dazu kommen Spenden jeder Art, die an Deutschlands längster Rennstrecke zwischengelagert werden. Auch Monate nach der Flut sind viele dieser Ersthelfer noch vor Ort. Der Dank ist riesig. Und ist ein ganz starkes Zeichen von Freiheit.
Doch 2021 hat mehr zu bieten als Katastrophen. Eine Bundeswahl beispielsweise, die gefühlt für einige zwar katastrophal ausging, tatsächlich aber den Beweis für eine politisch starke Demokratie liefert. Keine Wahlverlierer, die wie im Sandkasten mit dem Schäufelchen auf ihren Förmchen einhämmern, keine versuchte Rechtsbeugung durch den Gang vor die Gerichte. Demokratie at it‘s best. Gut, mathematisch glaubt ein gescheiterer Kandidat noch an das Unglaubliche, aber für Laschet wird daraus schnell ein rheinisches „Lass-et“. Nach kurzen Verhandlungen findet das Bunte zusammen, lässt die Farbe Blau dankenswerter Weise außen vor, verneigt sich kurz und angemessen vor der ewigen Kanzlerin Angela Merkel und beginnt mit der Arbeit.
Und diese Regierung hat sofort ein Problem. Nein zwei. Eigentlich viele. Corona mit neuen Mutanten; Klimawandel mit neuen Zielen; Rückkehr in der Kalten Krieg; eine Wirtschaft, die viel will, aber kein Material hat; einen im besten Fall vertragsbeugenden Briten als Nachbar; eine deutsche Minderheit, die lauter als die Mehrheit ist. Alles Punkte, die zum Jahr 2021 passen und die leider auch 2022 aktuell sein werden.
Doch 2021 hat noch mehr zu bieten. Eine Fußballbundesliga zum Beispiel, in der die 2. Liga spannender als die 1. Liga ist. Einen langhaarigen Vierbeiner namens Wolf, der die einen weinen und die anderen frohlocken lässt. Je nachdem, ob man von der Landwirtschaft lebt oder nur gerne deren Produkte konsumiert. 2021 war auch das Jahr, in dem die deutsche Sprache zum Zankapfel wird. Man gendert sich gegenseitig an. Statt sich Sprache entwickeln zu lassen, will man auf Deubel-komm-raus, Entschuldigung, Deubel*In-komm-raus die Sprache selbst entwickeln. Irgendwie sitzt einem da das Lastenrad quer und der Fisch Dank Brexit bleibt ungefangen. Dafür nervt das Warten auf die nächste Welle. Denn irgendwer wird die schon machen. Entweder das Virus oder ein aufgeregter Querdenker mit dem Hang zur geistigen und öffentlichen Selbstdemütigung. Mach keine Welle, möchte man Beiden zurufen, zum alkoholfreien Perlwein greifen und das finnische „Kipp es“ dem neuen 2022 zurufen. Das wird anders und hoffentlich besser.